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Was ich Sehe

Gum of my Life | Kaugummi meines Lebens

Im Jahr 1992 verbot die Singapurer Regierung den Verkauf von Kaugummis. Grund dafür war zum Einen ein unachtsam verklebtes Kaugummi in der Tür einer U-Bahn, durch welches im gesamten Nahverkehr erhebliche Verspätungen ausgelöst wurden. Zum Anderen die Angst vor einer Müllkatastrophe in den Straßen durch ausgespucktes Kaugummi sowie dessen weggeworfene Verpackung. Ein Verbot, welches bei vielen Menschen in Deutschland auf Verwunderung stoßen mag.

Kaugummiflecken auf den Straßen sieht man in vielen Großstädten überall. Aber nimmt man diese auch bewusst wahr und denkt - wenn auch nur kurz - wirklich darüber nach? Ich habe es nicht getan, bis zu dem Zeitpunkt, als Mostafa mir von seiner Idee erzählte. Mostafa, der vor sechs Monaten aus Syrien nach Deutschland kam, bemerkte diesen Flecken sofort. In seinem Heimatland hat er solche Flecken noch nie gesehen. In Düsseldorf angekommen, kann er sie nicht mehr übersehen. Mehrmals versuchte er bereits die Kaugummireste an Bushaltestellenoder vor großen Geschäften mit seinem Handy zu fotografieren.

Gemeinsam entwickelten wir eine Serie, die sich diesem Thema künstlerisch nähern sollte. In typologischer Form suchten wir nach Kaugummis unterschiedlicher Art. Große, kleine, frische oder alte auf verschiedenen Untergründen. Durch den konzentrierten Blick auf das Kaugummi selbst, sowie das Freistellen in ein Quadrat, fokussieren wir den Blick auf die oft ästhetisch anmutenden Schmutzflecken.
Das ist es, was sie sind: Schmutzflecken.

Nicht nur Mostafa, sondern auch mir wurde bewusst, wie viel Dreck dort eigentlich auf den Straßen liegt. Über diesen Dreck laufen wir Tag für Tag ohne ihn zu bemerken. Vielleicht ist die Diskussion über ein Kaugummiverbot in Großstädtenein Thema, welchem sich nicht nur Singapur widmen sollte. Neben der Dokumentation von Mostafas erstem Eindruck aus Deutschland portraitierten wir einander, da die gemeinsame Arbeit in jedem von uns neue Gedanken und Fragen auslöste.

Über die Portraits möchten wir zeigen, dass unsere Arbeit ein Teil von uns Beiden ist. Bewusst entschieden wir uns gegen ein klassisches Portrait. Mostafa, der in Syrien als Anwalt tätig war, äußerte den Wunsch sein Gesicht nicht deutlich zu veröffentlichen. Die Gründe für diese Entscheidung seien sowohl privat als auch beruflich. Es entstand die Idee, Portraits zu fotografieren, bei denen das Gesicht durch eine Reflektion, welche durch das Fotografieren durch mehrere Glasscheiben zustande kommt, zu verhüllen.Ich bin froh, die Möglichkeit bekommen zu haben, an einer solchen Kooperation teilzunehmen. Mostafa erzählte ich von meinen eigenen fotografischen Arbeiten, die sich oft mit typologischer Forschung befassen. Aus unserer beider Interessen resultierte eine Arbeit, welche neben derDarstellung eines persönlichen Themas auch Fragen aufwerfen soll.

Ein Projekt von Mostafa Ali und Tobias Vorwerk